Universität Hohenheim
 

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Gebhardt, Beate ; Ding, Jana-Lisa ; Feisthauer, Philipp

Obsoleszenz - auch ein Thema bei Lebensmitteln : Ergebnisse einer Expertenbefragung

Obsolescence – also relevant for food products : results of a survey among experts

Bitte beziehen Sie sich beim Zitieren dieses Dokumentes immer auf folgende
URN: urn:nbn:de:bsz:100-opus-15614
URL: http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2018/1561/


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SWD-Schlagwörter: Obsoleszenz , Lebensmittelabfall , Verantwortung , Verbraucher , Wertschöpfungskette , Mindesthaltbarkeitsdatum
Freie Schlagwörter (Englisch): Obsolescence , Food Waste , Responsibility , Consumers , Value Chain , Best-Before Date
Institut: Institut für Agrarpolitik und Landwirtschaftliche Marktlehre
DDC-Sachgruppe: Wirtschaft
Dokumentart: ResearchPaper
Schriftenreihe: Agricultural economics working paper series (Hohenheimer agrarökonomische Arbeitsberichte)
Bandnummer: 27
Sprache: Deutsch
Erstellungsjahr: 2018
Publikationsdatum: 11.12.2018
 
Lizenz: Hohenheimer Lizenzvertrag Veröffentlichungsvertrag mit der Universitätsbibliothek Hohenheim
 
Kurzfassung auf Deutsch: Obsoleszenz ist ein Thema – auch bei Lebensmitteln. Der in populär-wissenschaftlichen Veröffentlichungen gehegte Verdacht einer mehr oder weniger ausgeprägten Beteiligung der produktiven Akteure der Lebensmittelwertschöpfungskette am vorzeitigen Verderb von Lebensmittel ist zutreffend. Zumindest bestätigen dies Experten aus Wissenschaft und Lebensmittel-Praxis bei einer Expertenbefragung im Jahr 2015, die in dem vorliegenden Bericht vorgestellt wird. Die Experten bestätigen damit die Kernfrage dieser Untersuchung, die sich mit der Relevanz des Begriffs befasst und prüft, ob Obsoleszenz ein Thema auch bei Lebensmitteln und nicht nur bei Gebrauchsgütern ist, an denen alleine die derzeitige Obsoleszenz-Debatte ansetzt. Es ist die Mehrheit der 19 befragten Wissenschaftler und Praktiker entlang der Wertschöpfungskette Lebensmittel, die diese Sichtweise teilen. Es stimmen dieser jedoch nicht alle zu; das Thema polarisiert vor allem die Wissenschaftler. Letztlich sind nicht die Probleme der Ressourcenverschwendung und sozialen Disparität durch Lebensmittelabfälle strittig, gleich aus welchen Gründen auch immer sie entstanden sind. Vielmehr ist umstritten, wer verantwortlich ist und welche Bezeichnung verwendet werden sollte, wenn Lebensmittel vorzeitig verderben oder frühzeitig weggeworfen werden: Obsoleszenz, Lebensmittelverschwendung, Vermeidung oder anderes.
Die daran anschließende Frage, welche Vorteile oder welchen Mehrwert es habe, wenn Lebensmittelabfälle in die Obsoleszenz-Debatte eingeführt werden, oder umgekehrt, Lebensmittelabfälle mit der Brille der Obsoleszenz-Debatte betrachtet werden, nimmt genau dieses in den Blick. Hervorzuheben sind hierzu folgende Schlüsselthemen:
1) Vermeidung willkürlicher Deutungshoheiten: Die Verlagerung eines Begriffs und das Generieren von Deutungshoheiten zur (geplanten) Obsoleszenz nur in bestimmten Branchen ist willkürlich. Es fehlen objektive Gründe, Obsoleszenz ausschließlich bei Gebrauchsgütern oder nur technischen Geräten anzuwenden. Die Hintergründe und Zusammenhänge einer vorzeitigen Alterung von Produkten fallen in vielen Aspekten gleich aus, unabhängig von der Art der Branche, der Art des Produkts oder dessen Lebensdauer. Die Probleme und Ursachen des unnötigen Ressourcenverbrauchs entstehen entlang der Wertschöpfungskette aufgrund der Prozesse und Gepflogenheiten auf allen Märkten moderner und innovativer Gesellschaften.
2) Korrektiv der Verbraucherverantwortung: Das Adressieren der Hersteller und der Händler stellt ein Korrektiv in der Verantwortungszuweisung von Lebensmittelabfällen dar, die gerade im Bereich der Lebensmittel derzeit zu stark am Verbraucher aufgehängt wird. Das Ziel der Reduzierung von Ressourcenverschwendung ist insgesamt unstrittig und sollte nicht nur den Weg des geringsten Widerstands gehen und dabei bevorzugt Verbraucher adressieren. Mit dem Korrektiv der Verbraucherverantwortung ist auch ein Korrektiv in den Lösungsansätzen, mit einer größeren Vielfalt entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Lebensmitteln, möglich.
3) Problemzentrierte Revision von Definitionen: Der Umgang mit Naturmaterialien und die Rolle der Landwirtschaft werden oftmals in der Betrachtung von Lebensmittelabfällen ausgeblendet, als unvermeidbar beschrieben oder per Definition und gesetzlicher Regelung ausgenommen (z. B. Ernteverluste). Über den Zugang Obsoleszenz und dessen Trennlinie in natürliche und künstliche (geplante) Obsoleszenz wird der Blick auf die natürlichen Rohstoffe von Lebensmitteln und deren Verwendung hingegen nicht grundlegend verstellt und die Erfordernisse einer kritischen Überprüfung von gesetzlichen Regelungen (z. B. Kreislaufwirtschaftsgesetz) deutlich.
4) Voneinander und miteinander lernen: Der Perspektivenwechsel und Austausch zwischen Experten in Obsoleszenz- und Food-Waste-Debatten ermöglicht es, von den Erfahrungen der jeweils anderen Seite zu lernen, Stärken und Schwächen von Instrumenten und Lösungsansätzen zu kennen und deren Fehler nicht zu wiederholen (z. B. Vorschlag einer Lebensdauerangabe bei technischen Geräten ohne Rückbezug auf Erfahrungen mit Haltbarkeitsangaben bei Lebensmitteln).
Interessante Themen für weitere Studien umfassen Interdependenzen und Zielkonflikte, die Innovationen für Nachhaltigkeit und Verkürzung von Produktlebenszyklen betreffen. Weiterhin interessant wäre es, Standardsetzungen als Mittel für mehr Transparenz auf deren Beitrag zur Obsoleszenz zu überprüfen und Ansätze für mehr Wertschätzung im Gesamtgefüge mit Bezug zu allen Marktteilnehmern zu identifizieren.
 
Kurzfassung auf Englisch: Obsolescence is a topic that also concerns food products. Popular science has speculated that to a more or less significant extent, actors involved in food value chains were responsible for preliminary spoilage of food products. This speculation is true. Research and food experts in the field confirmed this during an expert survey conducted in 2015. This paper presents this survey. Experts confirm the main issue of this analysis which sheds light on the relevance of the following idea: Is obsolescence a topic regarding food products or does it only concern (technical) consumer goods? Only the latter is currently under debate. In total, 19 researchers and practicians from food value chains were surveyed and the majority shares this view. However, not all of them agree. The topic polarises researchers in particular. Eventually, issues such as the waste of ressources and social disparity due to food waste are not very disputed, irrespective of the reasons they emerged, but rather those responsible for the issue as well as the term that is to be used when food products spoil or are disposed preliminarily: obsolescence, food waste, avoidance, or other.
The ensuing question focuses on this by addressing the advantages or added value if food waste was introduced into the debate on obsolescence or, on the contrary, if food waste was perceived in light of the debate on obsolescence. In this regard, we must emphasise the following key topics:
1) Avoiding arbitrary authority of definition: Shifting a term and generating authority of definition regarding (planned) obsolescence in merely specific areas is arbitrary. There are no objective reasons to apply obsolescence solely to consumer goods or technical devices. Irrespective of the type of industry, product, or the product’s shelf life, the reasons and circumstances for which products spoil preliminarily are similar in many aspects. Problems and reasons of unnecessary use of resources arise along the value chain due to processes and practices on all markets of modern and innovative societies.
2) Corrective of consumer responsibility: Addressing manufacturers and retailers represents a corrective when handing over responsibility for food waste. Especially in the food sector, to much responsibility is falling on consumers. In general, the aims of mitigating waste of resources are disputed. It should not pursue the way of least resistance and address primarily consumers. The corrective of consumer responsibility enables a corrective for solution-oriented approaches with greater diversity along the whole food value chain.
3) Problem-centred revision of definitions: In light of food waste, the use of natural materials and the role of agriculture are often neglected, described as inevitable, or excluded by definition or regulation (e.g. harvesting losses). However, obsolescence and its clear distinction between natural and artificial (planned) obsolescence does not fundamentally alter the view on natural resources of food and their use. Moreover, the necessity to critically revise regulation (e.g. the German Waste Management and Product Recycling Act) becomes clear.
4) Learning from and with each other: Changes in perspective and exchange among experts in debates on obsolescence and food waste are the bedrock to learn about tools, solutions, as well as experiences and mistakes made by others (e.g. proposal for a shelf life indication for technical devices without referring to experience with best-before indications of food products).
Topics for further research include interdependencies and conflicts of targets which concern innovation for sustainability, shortage of product life cycles as well as the establishment of standards as means for more transparency to check their contribution to obsolescence and identify approaches for more appreciation in the overall concept considering all market participants.

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