Universität Hohenheim
 

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Loges, Karin Martina

Temperaturgesteuerte Zellzahlregelung für Bioreaktoren

Temperature-controlled cell number regulation for bioreactors

Bitte beziehen Sie sich beim Zitieren dieses Dokumentes immer auf folgende
URN: urn:nbn:de:bsz:100-opus-19535
URL: http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2021/1953/


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SWD-Schlagwörter: Zellkultur , Prozessregelung , Regelung , Zellwachstum
Freie Schlagwörter (Deutsch): Wachstumsrate , CHO-Zellkultur
Freie Schlagwörter (Englisch): cell culture , growth rate , temperature
Institut: Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie
Fakultät: Fakultät Naturwissenschaften
DDC-Sachgruppe: Biowissenschaften, Biologie
Dokumentart: Dissertation
Hauptberichter: Hitzmann, Bernd Prof. Dr.
Sprache: Deutsch
Tag der mündlichen Prüfung: 16.08.2021
Erstellungsjahr: 2021
Publikationsdatum: 10.11.2021
 
Lizenz: Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer Creative Commons-Lizenz lizenziert.
 
Kurzfassung auf Deutsch: Die Produktion biopharmazeutischer Glykoproteine erfolgt häufig durch die Kultivierung gentechnisch veränderter Säugetierzellen. Zu Beginn eines Produktionsprozesses wird eine geringe Menge tiefgefrorener Zellen aus einer Zellbank entnommen und in einer Kaskade aufeinanderfolgender Vermehrungschritte kultiviert (Anzuchtprozess). Zellkulturprozesse sind sehr empfindliche Verfahren, in denen schon geringe Abweichungen in der Prozessführung das Zellwachstum, die Produktqualität und die Produktausbeute beeinflussen.
Unter anderem besitzt die Zellkonzentration einen Einfluss auf die Ausbeute und Qualität des Produktes. Die Qualitätsattribute der hergestellten Proteine werden im Zulassungsverfahren der einzelnen Länder und Gemeinschaften, wie zum Beispiel der Europäischen Union, mit entsprechenden Spezifikationen festgelegt. Da die Produktqualität auch von der initialen Zellkonzentration des Prozesses sowie dem Verlauf der gesamten Vermehrungschritte abhängig ist, wird der Überimpfzeitpunkt innerhalb der Kaskade durch die Zellkonzentration vorgegeben. In der industriellen Praxis kann der optimale Zeitpunkt des Überimpfens, aufgrund der nicht immer genau vorhersagbaren Vermehrungsgeschwindigkeit der Zellen, nachts oder am Wochenende erreicht werden. In Zellkulturbetrieben gibt es häufig keine Nachtschichten, wodurch das Überimpfen ausschließlich tagsüber erfolgen kann. Dies hat zur Folge, dass der nächste Prozessschritt entweder mit einer zu geringen oder zu hohen Zelldichte gestartet werden muss.
Um die zu Teilen schwer zu kontrollierende Vermehrungsgeschwindigkeit und die resultierenden Planungsunsicherheiten im Prozess sowie die Problematik bezüglich der Produktqualität und –ausbeute zu lösen, sollte innerhalb dieses Forschungsprojekts ein industrietauglicher und selbstadaptiver Regler entwickelt werden, der es ermöglicht die Zellzahl während des Anzuchtprozesses im Reaktor zeitlich zu steuern.
Bei Verwendung des in dieser Dissertation beschriebenen Zellzahlreglers gibt der Anwender zu Prozessbeginn die zu erreichende Zellkonzentration, sowie den genauen Zeitpunkt des Überimpfens, bestehend aus dem Datum und der Uhrzeit, vor. Im Folgenden regelt der Zellzahlregler die Vermehrungsgeschwindigkeit der Zellen während des Prozesses automatisch so, dass die am Prozessbeginn festgelegten Vorgaben am Prozessende erreicht werden. Die Regelung der Vermehrungsgeschwindigkeit, erfolgt durch Änderung der Temperatur.
Der entwickelte Zellzahlregler basiert auf der Nutzung einer kommerziell erhältlichen und in der Industrie eingesetzten Online-Biomassesonde die eine kontinuierliche Messung der Zellkonzentration im Reaktor ermöglicht. Ausgehend von dem Messwert der Zellzahlsonde berechnet der Regler den prognostizieren zeitlichen Verlauf der Zellkonzentration. Weicht die vorausgesagte Endzellkonzentration zum vorgegebenen Überimpfzeitpunkt von der angestrebten Zellkonzentration ab, passt der Regler die Prozesstemperatur so an, dass die Vorgaben erreicht werden. Der beschriebene Ablauf wird zyklisch über den gesamten Prozesszeitraum wiederholt.
In der Entwicklungsphase des Zellzahlreglers wurde zunächst eine umgebaute Reaktoranlage validiert und die Temperaturabhängigkeit der Biomassesonde untersucht. Im Weiteren wurde die Abhängigkeit der Vermehrungsgeschwindigkeit der Zellen von der Temperatur analysiert, in Form eines mathematischen Models beschrieben und in einen Regelungsalgorithmus implementiert. Die Berechnung der erforderlichen Temperatur erfolgt unter Zuhilfenahme eines nummerischen Optimierungsverfahrens, basierend auf dem zuvor abgeleiteten mathematischen Modell der temperaturabhängigen Vermehrungs-geschwindigkeit, den Online-Messwerten und den Vorgaben des Anwenders.
Um eine größere Flexibilität zu erreichen und auf etwaige Störungen im Prozessablauf regieren zu können, wurde eine Möglichkeit geschaffen, die vom Anwender zu Prozessbeginn festgelegten Zielvorgaben während des laufenden Prozesses zu ändern.
Zur Optimierung des Reglers wurde im Weiteren analysiert, inwiefern eine Adaptierung des Reglers an unterschiedliche Zellklone realisierbar ist, und in welchem Umfang Vorversuche zur Ermittlung der zellspezifischen, temperaturabhängigen Wachstumsgeschwindigkeit notwendig sind. Mit dem Ziel den Regler ohne Vorversuche nutzen zu können und bei möglichen Änderungen des Zellwachstums eines Zellklons eine gleichbleibende Qualität der Regelung zu garantieren, wurde ein selbstlernender Algorithmus implementiert.
Innerhalb der Arbeit konnte experimentell die Funktionalität des Zellzahlreglers und die iterativ-adaptive Optimierung des mathematischen Algorithmus an unterschiedliche Zellklone, bestätigt werden. Alle während der Zellzahlregelung untersuchten biologischen Reaktionen der Zellen, wie die temperaturbedingten Anpassungen des Zellzyklus, der Apoptose und Nekrose, der Glukose- und Glutaminverbrauchsraten, sowie Ammonium- und Laktatbildungsraten, die Zirkularität und Größe der Zellen, zeigten sich als reversible Änderungen, welche sich in nachfolgenden Prozessstufen bei 37°C innerhalb von 2 Tagen normalisierten. Zudem konnte kein negativer Einfluss, der zellzahlgeregelten Vorkultur auf die Produktqualität und -quantität festgestellt werden.
 
Kurzfassung auf Englisch: Biopharmaceutical cell culture processes are multi-stage processes. Starting with low cell numbers and small culture volumes, the upstream process takes place step by step in a reactor cascade with increasing volume. To achieve constant product quality and high reproducibility, each reactor must be seeded with a defined initial cell concentration and all cultures must show very similar growth rates. However, batch to batch variations of growth rates can occur in biological systems and disrupt the reproducibility of the inoculation with defined cell concentrations.
In order to control the growth rate and thus increase the reproducibility from batch to batch, a self-adapting cell number controller was developed. This controller can be rapidly introduced in a typical industrial (biopharma) environment. At the beginning of the process, the user specifies the desired seed cell concentration and the point in time at which this cell concentration should be reached. In the following, the cell number controller automatically regulates the growth rate of the cells during the process and leads it to the specified process end parameters. The regulation of the cell growth rate is achieved with adjustment of the process temperature.
In the development phase of the cell number controller, a converted reactor system was adjusted and qualified. The temperature dependency of the biomass probe was examined. After that, the dependence of the cell growth rate on the temperature was analysed, described in the form of a mathematical model and implemented in a control algorithm. The required temperature is calculated with the aid of a numerical optimization process, using the previously derived mathematical model of the temperature-dependent growth rate, the online measured values and the specifications of the user.
In order to achieve greater flexibility within the upstream process and to be able to react to disruptions in the process flow, it is also possible to dynamically adjust the target parameter, set by the user at the beginning, during the running process.
To optimize the controller, it was analysed how the mathematical algorithm can be adapted to different cell clones and which tests are absolutely necessary to determine the cell specific, temperature-dependent growth rate. In this context, a self-learning algorithm was implemented so that it is now possible to use the controller without preliminary tests and to ensure constant control quality in the event of possible changes in the cell growth of a cell clone.
During this research project, the functionality of the cell number controller, such as the changes in the process end parameters during the ongoing process and the iterative-adaptive optimization of the mathematical algorithm on different cell clones, could be verified experimentally.
The biological reactions of the cells to the temperature changes within the cell number-controlled precultures and within the subsequent production stage were also analysed. Furthermore, a possible influence on the quantity and quality of the products was examined. All examined biological reactions of the cells during the cell count regulation showed a reversible behaviour, which are normalized in the following process steps at 37 °C within two days. In addition, no negative influence of the cell-number-controlled preculture on product quality and quantity could be determined.
In summary, a functionally adaptable cell number controller was developed and tested with two different CHO cell clones for a possible influence on cell metabolism, apoptosis, product quantity and Quality.

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