Universität Hohenheim
 

Eingang zum Volltext

Nickel, Angela

Entstehung und Morphogenese des Vorderhirns - Die Rolle des mit Mikrotubuli assoziierten Proteins Hmmr in Xenopus laevis

Forebrain development and morphogenesis - the role of the microtubule-associated protein Hmmr in Xenopus laevis

Bitte beziehen Sie sich beim Zitieren dieses Dokumentes immer auf folgende
URN: urn:nbn:de:bsz:100-opus-17822
URL: http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2020/1782/


pdf-Format:
Dokument 1.pdf (41.681 KB)
Gedruckte Ausgabe:
POD-Logo  Print-on-Demand-Kopie
Dokument in Google Scholar suchen:
Social Media:
Delicious Diese Seite zu Mister Wong hinzufügen Studi/Schüler/Mein VZ Twitter Facebook Connect
Export:
Abrufstatistik:
SWD-Schlagwörter: Entwicklungsbiologie , Mikrotubulus , Vorderhirn , Krallenfrosch , Zellskelett
Freie Schlagwörter (Deutsch): Hmmr , Neurulation , Dynamische Instabilität
Freie Schlagwörter (Englisch): Hmmr , neurulation , forebrain , cytoskeleton , dynamic instability
Institut: Institut für Zoologie
Fakultät: Fakultät Naturwissenschaften
DDC-Sachgruppe: Biowissenschaften, Biologie
Dokumentart: Dissertation
Hauptberichter: Feistel, Kerstin PD Dr. rer. nat.
Sprache: Deutsch
Tag der mündlichen Prüfung: 25.05.2020
Erstellungsjahr: 2020
Publikationsdatum: 29.07.2020
 
Lizenz: Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer Creative Commons-Lizenz lizenziert.
 
Kurzfassung auf Deutsch: Die Anlage des zentralen Nervensystems wird während der frühen Embryonalentwicklung gebildet. Aus dem Neuroektoderm entwickelt sich die Neuralplatte, welche sich durch seitliche Auffaltungen und umfängliche Zellumordnungen zum Neuralrohr schließt. Aus dem Neuralrohr entsteht in der weiteren Embryogenese anterior das Gehirn und posterior das Rückenmark. Störungen beim Neuralrohrschluss führen zu schwerwiegenden Fehlentwicklungen. Das Auftreten differenzieller Neuralrohrdefekte, welche spezifische Abschnitte des Neuralrohrs betreffen, deutet darauf hin, dass der Neuralrohrschluss entlang der anterior-posterioren Achse verschieden reguliert wird. So liegt z.B. bei der schwerwiegenden Fehlbildung Kraniorachischisis die gesamte Länge des Neuralrohrs ab dem Rautenhirn offen, wobei die Region des Vorderhirns jedoch normal geschlossen wird. Im Wildtyp zeigt sich diese unterschiedliche Regulierung auch in einer zeitlichen Verzögerung zwischen dem Schluss des kranialen und des kaudalen Neuralrohrs. Während die Mechanismen, die zum posterioren Neuralrohrschluss führen, recht gut erforscht sind, sind die anterioren morphologischen Prozesse im Bereich des zukünftigen Vorderhirns weitgehend unverstanden.
Der Fokus dieser Arbeit lag darauf, zell- und gewebemorphologische Vorgänge zu identifizieren, die für die Entstehung und Entwicklung des Neuralrohrs im Bereich des Vorderhirns wichtig sind. Für Zellformänderungen sowie Zellwanderung ist die Regulation des Cytoskeletts von großer Bedeutung. Aus diesem Grund wurde in dieser Arbeit die Rolle des mit Mikrotubuli assoziierten Proteins Hmmr im embryonalen Modellorganismus Xenopus laevis untersucht. Im Menschen erhöhen Mutationen in HMMR die Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs zu erkranken. In diesem Zusammenhang wurde Hmmr bisher vor allem eine Rolle bei der Regulierung von Zellmotilität sowie bei der Aufrechterhaltung der Spindel-Integrität zugeschrieben.
In Xenopus verlangsamte eine gestörte Modulation von hmmr durch Funktionsverlust- und Funktionsgewinnexperimente den Neuralrohrschluss und führte zu Defekten in der weiteren Vorderhirnentwicklung. Der hmmr Funktionsverlust verhinderte die Trennung der beiden Hemisphären des Telencephalons und glich phänotypisch der humanen Fehlbildung „mittlere interhemisphärische Fusionsvariante der Holoprosenzephalie“. Die Ursache für die unterbundene Ventrikeltrennung ließ sich auf eine gestörte Bildung der Dachplatte zurückführen, hervorgerufen durch eine Beeinträchtigung des Neuralrohrschlusses aufgrund fehlender Konvergenz neuraler Zellen. Die Konvergenz des Gewebes im Bereich des Vorderhirns wird durch radiäre Interkalation (RI) der neuralen Zellen vollbracht. Bei der hierfür notwendigen Regulierung von Zellpolarisierung und -elongation durch das Mikrotubuli-Cytoskelett kooperierte hmmr mit der Kern-Komponente des Signalwegs für planare Zellpolarität (engl. planar cell polarity; PCP) vangl2, die bisher nur als Faktor für den posterioren Neuralrohrschluss charakterisiert war. Weiterhin konnte durch die Verwendung von hmmr Deletionskonstrukten, denen funktionelle Domänen am Amino- und/oder Carboxy-Terminus fehlen, gezeigt werden, dass es sich bei der Elongation und der Interkalation um distinkte Prozesse handelt, welche differenziell durch die unterschiedlichen Domänen von Hmmr reguliert wurden. Für RI war die direkte Bindung von Hmmr an Mikrotubuli erforderlich. Dies deutet darauf hin, dass Hmmr Interkalationsbewegungen beeinflusst, indem es die dynamische Instabilität von Mikrotubuli reguliert.
Radiäre Interkalationsprozesse sind essentiell für mesenchymal-epitheliale Transition (MET), ein physiologischer morphogenetischer Prozess, der aber auch im pathologischen Kontext die Etablierung von Tumormetastasen ermöglicht. MET wird durch das Zusammenspiel von kanonischer Wnt / beta-Catenin und nicht-kanonischer Wnt / PCP- Signalwegsaktivität gesteuert. Durch weitere gewebespezifische Funktionsverlustexperimente wurde für hmmr eine grundsätzliche Rolle bei durch Wnt gesteuerten RI / MET-Prozessen während der Gastrulation sowie der Entwicklung der Niere und der Schwanzknospe von Xenopus identifiziert. Die Ergebnisse legen nahe, dass Hmmr die Dynamik von Mikrotubuli beeinflusst. Da sowohl der kanonische wie auch der nicht-kanonische Wnt-Signalweg mit Mikrotubuli assoziiert ist, könnte Hmmr als molekularer Schalter die Aktivität und das Zusammenspiel der beiden Signalwege regulieren.
Mit dieser Arbeit konnte somit eine neue physiologische Funktion des bisher hauptsächlich im Tumor-Kontext untersuchten Mikrotubuli-bindenden Proteins Hmmr bei der Entwicklung und Morphogenese des Vorderhirns identifiziert werden. Es wurde gezeigt, dass durch Hmmr vermittelte RI eine treibende Kraft des anterioren Neuralrohrschlusses ist. Darüber hinaus gelang es, Hmmr als essentiellen Regulator Mikrotubuli-abhängiger Wnt-Signalwegsaktivität in MET-Prozessen zu identifizieren.
 
Kurzfassung auf Englisch: The anlage of the central nervous system is formed during early embryonic development. The neuroectoderm establishes the neural plate which folds up to form the neural tube, a process that requires extensive cell rearrangements. During further embryogenesis the anterior part of the neural tube develops into the brain while the posterior part forms the spinal cord. Disturbances during neural tube closure (NTC) lead to severe developmental aberrations. Occurrence of specific neural tube defects indicates a distinct regulation of NTC along the anterior-posterior axis. For example, the severe malformation craniorachischisis is characterized by a failure to close the neural tube from hindbrain levels onwards, while the forebrain region develops normally. This distinct regulation presents itself in the wildtype in a delay between cranial and caudal NTC. While the mechanisms leading to posterior NTC are quite well understood, the morphological processes at the future forebrain level are largely unknown.
The aim of this dissertation was to identify cell and tissue morphogenetic processes which are required for the formation and development of the anterior neural tube. As the underlying changes in cell shape as well as cell migration depend on the regulation of the cytoskeleton, the role of the microtubule-associated protein Hmmr was analyzed in the model organism Xenopus laevis. HMMR is a breast cancer susceptibility gene with described roles mainly in the tumor context, regulating cell motility and maintenance of mitotic spindle integrity. In Xenopus, gain as well as loss of function of hmmr delayed NTC and led to defects during further forebrain development. Loss of hmmr impaired separation of telencephalic hemispheres, resembling the human malformation “middle interhemispheric variant of holoprosencephaly”. Failure of ventricle separation could be traced back to disturbed roof plate formation. This was due to impaired NTC resulting from a lack of neural cell convergence. Tissue convergence at the forebrain level is mediated by radial intercalation (RI). During the required regulation of cell polarization and elongation via the microtubule cytoskeleton, hmmr cooperated with the core component of the planar cell polarity (PCP) pathway vangl2, which had been solely characterized as a factor for posterior NTC so far. In addition, experiments with hmmr deletion constructs missing functional domains at the amino- and/or carboxyl-terminus, revealed that elongation and intercalation are distinct processes which are regulated differentially via specific domains of Hmmr. RI required direct binding of Hmmr to microtubules, suggesting that Hmmr influences intercalation movements by regulating dynamic instability of microtubules.
RI is essential for mesenchymal to epithelial transition (MET), a physiological morpho- genetic process, which is also involved in establishing tumor metastases in a pathological context. MET is regulated by concerted interaction of canonical Wnt / beta-Catenin and non- canonical Wnt / PCP signaling. Further tissue-specific loss of function experiments uncovered a general role for hmmr in Wnt-modulated RI / MET processes during gastrulation as well as during pronephros and tailbud development in Xenopus. The results suggest that Hmmr regulates microtubule dynamics. Since canonical as well as non-canonical Wnt signaling have been associated with microtubules, hmmr could act as a molecular switch to regulate the activity and interplay of two signaling pathways.
This thesis thus identified a new physiological role for the microtubule-binding protein Hmmr, which up to now had been mainly studied in the cancer context. It was shown that Hmmr-mediated RI is a major driving force for anterior NTC. In addition, Hmmr was identified as an essential regulator of microtubule-dependent Wnt signaling in MET processes.

    © 1996 - 2016 Universität Hohenheim. Alle Rechte vorbehalten.  15.04.15