RT Dissertation/Thesis T1 Bedeutung der c-Abl-Aktivität für die Reaktion auf DNA-Schädigung und für die genetische Stabilität Bcr-Abl-negativer Zellen A1 Fanta,Silke WP 2011/12/12 AB Die Einführung von Imatinib (Glivec®, Gleevec®, STI571) im August 2001 bedeutete einen entscheidenden Fortschritt in der Therapie der Chronisch Myeloischen Leukämie (CML). Der small-molecule-Inhibitor greift direkt die onkogene Bcr Abl-Tyrosinkinase an, welche als ursächliches Ereignis der Pathogenese der CML identifiziert wurde. Zwar hat sich Imatinib als Goldstandard der Primärtherapie der CML etabliert, jedoch ist nach aktuellem Forschungsstand keine Eliminierung des malignen Bcr Abl-positiven Klons durch die Imatinib-Therapie möglich, weshalb eine langfristige, möglicherweise lebenslange Imatinib-Behandlung der Patienten notwendig ist. In der Konsequenz ist es von großem Interesse, die biologischen Effekte von Imatinib auf physiologisch normale Zellen zu klären. In Vorarbeiten zu dieser Studie konnte die Arbeitsgruppe bereits zeigen, dass die Behandlung mit Imatinib in Bcr Abl-positiven Zellen zu einer Verminderung der Mutationsfrequenz nach DNA-Schädigung führt. Im Rahmen dieser Arbeit konnte erstmals nachgewiesen werden, dass die Behandlung nicht-kanzerogener primärer humaner Lymphozyten (PBMC) und muriner hämatopoetischer Zelllinien (32D und BaF3) mit Imatinib die Mutationsraten nach DNA-Schädigung deutlich erhöht. Damit hat Imatinib in Bcr Abl-negativen Zellen den gegenteiligen Effekt wie in Bcr-Abl-positiven Zellen. Somit wurde belegt, dass nicht nur die Hemmung von Bcr Abl durch Imatinib, sondern in Bcr Abl-negativen Zellen auch die Hemmung einer physiologischen Zielstruktur von Imatinib eine wichtige Rolle für die genetische Stabilität spielt. Zur Untersuchung, ob der Bcr Abl-unabhängige Effekt auf eine Hemmung der c-Abl-Aktivität durch Imatinib zurückzuführen ist, wurden die Experimente zur Stress-induzierten Mutationsfrequenz an genetischen c-Abl-Modellen durchgeführt. Hierfür wurden c-Abl-knockout-MEFs (embryonale Mausfibroblasten) verwendet, welche mit einer Wildtyp-Form von c-Abl bzw. einer Kinase-defekten Variante retransfiziert wurden. Die Mutationsfrequenz nach DNA-Schädigung ist in Zellen mit Kinase-defektem c-Abl (MEF Abl-KD) im Vergleich zu den c-Abl-wt-Zellen (MEF Abl-wt) signifikant erhöht, was bedeutet, dass die c-Abl-Aktivität tatsächlich von großer Bedeutung für die Aufrecht-erhaltung der genetischen Stabilität ist. Ursächlich für eine erhöhte Mutationsfrequenz in Zellen können unterschiedliche Faktoren, wie beispielsweise eine veränderte Proliferation der Zellen, gestörte DNA-Reparaturmechanismen oder eine verzögerte Induktion von Zelltod sein, welche dazu führen, dass die DNA-Schäden nicht oder nicht korrekt repariert und an die Tochterzellen weitergegeben werden. In dieser Arbeit konnte in verschiedenen hämatopoetischen Zell¬linien gezeigt werden, dass weder die pharmakologische noch die genetische Hemmung der c-Abl-Aktivität einen Einfluss auf die Zelltod-Induktion, Teilungsraten, Teilungsfähigkeit (Cloning Efficiency) und Zellzyklusverteilung der Zellen hat. Um zu untersuchen, inwieweit Imatinib die Kinetik der DNA-Strangbruchreparatur nach Bestrahlung beeinflusst, wurden alkalische Comet-Assays durchgeführt. Zwar konnte weder auf die Induktion von Strangbrüchen, noch auf konstitutive Strangbrüche vor Bestrahlung ein Ein¬fluss von Imatinib festgestellt werden, jedoch zeigte sich eine signifikante Verzögerung der DNA-Strangbruchreparatur in Imatinib-behandelten Zellen. Diese Verzögerung konnte in hämatopoetischen Zelllinien-Modellen und in primären humanen Lymphozyten in analoger Weise sowohl nach Behandlung mit Imatinib als auch mit Dasatinib, einem Abl-Inhibitor der zweiten Generation, nachgewiesen werden. Unter Verwendung von Zelllinien-Modellen mit ver¬schiedenen c-Abl-Varianten konnte der Nachweis erbracht werden, dass dieser Effekt tatsächlich durch die Hemmung der c-Abl-Kinaseaktivität verursacht wird: Die verzögerte Strangbruchreparatur konnte in Zellen mit Kinase-defektem c-Abl (MEF Abl-KD) ebenso gezeigt werden, während die Behandlung mit Imatinib keinen Effekt auf die Reparaturkinetik von Zellen zeigte, welche eine Imatinib-resistente Variante von c-Abl (c-Abl T315I) exprimieren. Unter alkalischen Bedingungen werden im Comet-Assay sowohl Doppel- (DSB) als auch Einzelstrangbrüche (SSB) erfasst. Zur selektiven Analyse ausschließlich der DSB-Reparatur wurde der Assay daher auch unter neutralen Bedingungen durchgeführt. Verglichen mit der SSB-Induktion konnte zwar eine erwartungsgemäß deutlich geringere Induktion von DSB nach Bestrahlung festgestellt werden, jedoch zeigte Imatinib weder bei der Induktion noch bei der Reparaturkinetik der DSB einen Einfluss. Mit Hilfe zweier weiterer Methoden, der Pulsfeld-Gelelektrophorese und der Quantifizierung von gamma-H2AX, konnte bestätigt werden, dass Imatinib keine Auswirkung auf die DSB-Reparatur hat, sondern ausschließlich eine Imatinib-abhängige Beeinflussung der SSB-Reparatur verantwortlich für die verzögerte Reparaturkinetik der Zellen ist. Umfangreiche Untersuchungen der molekularen Signalwege der DNA-Schadensprozessierung zeigen, dass die Hemmung der c-Abl-Aktivität keinen Einfluss auf den ATM-Chk2-p53- oder den ATR-Chk1-Weg hat. Ein sehr frühes Ereignis in der Prozessierung der SSB-Reparatur stellt die poly-(ADP-Ribosyl)ierung von Proteinen dar. Diese Protein-Modifizierung mit langen, verzweigten poly-(ADP-Ribose)ketten (PAR) ist ein essentieller Bestandteil der SSB-Reparatur und der base excition repair (BER). Synthese und Abspaltung von PAR werden vermittelt durch die Kinasen PARP-1 (Poly-(ADP-Ribose)-Polymerase-1) und PARG (Poly-(ADP-Ribose)-Glykohydrolase). Diese Aktivität wurde anhand der Quantifizierung von PAR und der Bestimmung des Anteils der Zellen, welche zu einem bestimmten Zeitpunkt PAR-positiv waren, bestimmt. Zur Untersuchung möglicher Effekte der c-Abl-Hemmung durch Imatinib auf die poly-Ribosylierung wurde zunächst eine Methode entwickelt, um PAR-Ereignisse auf Einzelzell-Ebene nachzuweisen. Hierzu wurden die Poly-Ribosereste durch einen spezifisch gegen PAR gerichteten Antikörper markiert und mittels Fluorochrom-gekoppeltem sekundären Antikörper detektiert. Die Spezifität dieser Methode konnte eindeutig nachgewiesen werden anhand des kompletten Verlusts der Bestrahlungs-induzierten Ribosylierung nach Behandlung der Zellen mit einem bekannten spezifischen PARP-Inhibitor (PJ34). Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass durch die gleichzeitige Bestimmung des DNA-Gehalts in jeder Zelle die Ribosylierungsereignisse in Abhängigkeit von der Verteilung im Zellzyklus analysiert werden können. Anhand dieser Experimente konnte festgestellt werden, dass Imatinib-behandelte Zellen sowohl konstitutiv als auch induziert durch gamma Strahlung deutlich stärker poly-ribosyliert sind. Außerdem führt die Bestrahlung zu einem gegebenen Zeitpunkt nur bei einem Teil der Zellen zu Poly-Ribosylierung: Eine Subpopulation von Zellen, die sich vermutlich in der Ruhephase G0 befindet, bleibt sowohl vor als auch nach Bestrahlung PAR-negativ. In der vorliegenden Arbeit wurden damit erstmals Ribosylierungsereignisse vor und nach DNA-Schädigung in Zusammenhang mit der Verteilung im Zellzyklus gezeigt und zudem deren Abhängigkeit von der Imatinib-vermittelten c-Abl-Hemmung. Die Hemmung der Kinaseaktivität von c-Abl scheint somit zu einem verzögerten Abbau von PAR zu führen, was entweder durch eine verminderte Aktivität des PARP-1-Gegenspielers PARG oder durch eine erhöhte Aktivität von PARP-1 selbst verursacht wird. Eine Störung des räumlich und zeitlich eng modulierten Auf- und Abbaus von PAR kann zu einer verlängerten Interaktion von PARP-1 mit Reparaturproteinen der SSB-Reparatur oder der BER führen, wie z. B. XRCC1 und DNA-Polymerase beta und somit die beobachtete verzögerte DNA-Schadensreparatur verursachen. Im Rahmen dieser Arbeit konnten somit neue Erkenntnisse über den Einfluss von Imatinib auf Bcr-Abl-negative Zellen gewonnen werden. Die hier gewonnenen in vitro-Daten deuten darauf hin, dass eine lang andauernde Behandlung mit c-Abl-Inhibitoren mit einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit sekundärer Neoplasien verbunden sein könnte. Trotz der hervorragenden Erfolge der Imatinib-Behandlung bei CML-Patienten in chronischer Phase sollte deshalb die vollständige Elimination des malignen Klons das vorrangige Ziel der Behandlung Bcr-Abl-positiver Leukämien sein. K1 Chronisch-myeloische Leukämie K1 DNS-Strangbruch K1 DNS-Schädigung K1 DNS K1 NAD-ADP-Ribosyltransferase K1 DNS-Reparatur K1 Imatinib mesilat PP Hohenheim PB Kommunikations-, Informations- und Medienzentrum der Universität Hohenheim UL http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2011/620