RT Dissertation/Thesis T1 Langfristige Neutralität der Geldpolitik? A1 Schmid,Kai Daniel WP 2010/06/16 AB In makroökonomischen Theorien findet häufig eine separate Betrachtung von Wachstums- und Konjunkturphänomenen statt. Untersuchungen des Konjunkturverlaufs richten den Blick zumeist auf kurzfristige Anpassungsprozesse, wohingegen sich wachstumstheoretische Fragestellungen auf die langfristige Entwicklung der Produktionsfaktoren konzentrieren und stabilitätspolitische Probleme weitgehend ausblenden. Im Bereich der monetären Makroanalyse scheint die Vorstellung von einer in der kurzen Frist realwirtschaftlich wirksamen, langfristig jedoch neutralen Geldpolitik inzwischen nahezu selbstverständlich akzeptiert zu sein. Langfristige Auswirkungen nachfragepolitischer Maßnahmen auf die realwirtschaftliche Entwicklung werden in der Literatur dagegen kaum als Problemfeld wahrgenommen. In stabilitätstheoretischen Modellanwendungen dient die Produktionskapazität gesamtwirtschaftlichen Anpassungsprozessen zumeist als eine Art gleichgewichtiges Gravitationszentrum, zu welchem das System nach dem Durchlaufen einer ungleichgewichtigen Anpassungsphase zurückfindet. Nachfrageschwankungen entfalten hier keinerlei langfristige Auswirkungen und geldpolitische Stimuli bleiben auch in der langen Frist realwirtschaftlich neutral. Jedoch ist eine derart strikte Unterscheidung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nach einer kurzen und einer langen Frist nicht unmittelbar überzeugend, da Phasen einer ausgeprägten Unter- oder Überauslastung des Produktionsapparates nicht spurlos am Bestand und der Leistungsfähigkeit der Produktionsfaktoren vorüberziehen. Die Kritik an einer weitgehenden Unabhängigkeit von Wachstumstrend und konjunkturellem Zyklus lässt den konzeptionellen Konsens einer Ableitung stabilitätspolitischer Strategien auf Basis einer als weitgehend konjunkturexogen betrachteten Kapazitätsentwicklung als makrotheoretisches Spannungsfeld erscheinen. Der stabilitätstheoretische Teil skizziert mit Kapitel 2 die zinspolitische Makrostabilisierung des Neukeynesianischen Theorieansatzes, der durch den Modellkern der Real Business Cycle Ansätze sowie durch eine mikroökonomisch fundierte Erklärung träger Lohn- und Preisanpassungen gekennzeichnet ist. Kapitel 3 diskutiert die Fristigkeit der realen Effekte geldpolitischer Maßnahmen sowie die Funktion gleichgewichtiger Bezugsgrößen im Kontext des neuen stabilitätstheoretischen Konsensmodells. Kapitel 4 stellt die etablierte Trend-Zyklus-Dichotomie dem Phänomen der Pfadabhängigkeit und damit verbundenen Wirkungskanälen der wechselseitigen Beeinflussung von Angebots- und Nachfrageseite einer Volkswirtschaft gegenüber. Kapitel 5 und Kapitel 6 diskutieren theoretische Erklärungsansätze und makropolitische Implikationen der Arbeitsmarkthysterese sowie Mechanismen eines nachfrageseitig induzierten Wachstums. Kapitel 7 untersucht zinspolitische Konsequenzen eines endogenen Produktionspotenzials. Der wirtschaftspolitisch empirische Teil gibt in einem Ländervergleich der EWU-12 von 1999-2007 Anhaltspunkte für Wirkungskanäle einer variierenden Faktorauslastung auf die Entwicklung des Produktionspotenzials. Kapitel 8 und Kapitel 9 skizzieren makroökonomische Problemfelder der Integration der einzelnen EWU-Mitgliedsstaaten und weisen auf das durch die Auslastungsdivergenz entstehende zinspolitische Dilemma der Europäischen Zentralbank hin. Kapitel 10 vergleicht die Veränderung der nationalen Produktionsfaktoren vor dem Hintergrund der divergenten Produktionsentwicklung und der damit einhergehenden Auslastungsasymmetrie. Aufgrund der Kapazitätswirkungen einer variierenden Investitionsgüternachfrage und vor dem Hintergrund der Überlegungen zum Phänomen der Arbeitsmarkthysterese sowie den Ansätzen des Demand-led Growth kann die Entwicklung der Produktionsfaktoren einer Ökonomie nicht unabhängig von deren konjunktureller und damit auch stabilitätspolitischer Historie verstanden werden. Die Position einer langfristigen geldpolitischen Neutralität und die modelltheoretische Abkoppelung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitätsentwicklung von zyklischen Auslastungsschwankungen muss in Anbetracht der Existenz solcher Pfadabhängigkeiten in Frage gestellt werden, denn der Verlauf des mittel- bis langfristigen Entwicklungspfads einer Volkswirtschaft wird eben gerade auch durch kurzfristige, überwiegend als nachfrageseitig getrieben angesehene Schwankungen der Faktorauslastung entscheidend mitbestimmt. Trotz des einheitlichen Gesamtbilds der theoretischen Argumente und der empirischen Anhaltspunkte, kann jedoch nicht ohne weiteres auf einen erweiterten expansiven Spielraum der Nachfragepolitik geschlossen werden. Allerdings erscheint ein weithin akzeptierter, makrotheoretischer Konsens, der auf der Annahme beruht, die Entwicklung der Produktionsfaktoren einer Volkswirtschaft verlaufe weitgehend unabhängig von der konjunkturell schwankenden Faktorauslastung und damit auch unbeeinflusst vom stabilitätspolitischen Instrumenteneinsatz, unzureichend. K1 Geldpolitik K1 Produktionspotential K1 Hysterese K1 Zinspolitik K1 Dichotomie K1 Konjunkturtheorie K1 Endogenes Wirtschaftswachstum PP Hohenheim PB Kommunikations-, Informations- und Medienzentrum der Universität Hohenheim UL http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2010/473