RT Dissertation/Thesis T1 Untersuchungen zur Bedeutung des Sulfonylharnstoffrezeptors 1 für die Modulation von Apoptose durch 17 beta-Estradiol in rekombinanten HEK (Human Embryonic Kidney) 293-Zellen und in pankreatischen beta-Zellen A1 Ackermann,Stefanie WP 2009/07/16 AB Der Sulfonylharnstoffrezeptor (SUR) 1 ist die regulatorische Untereinheit pankreatischer ATP-sensitiver Kalium-Kanäle (KATP-Kanäle), welche von großer Bedeutung für die Insulinsekretion der beta-Zelle sind. Neben der Auslösung einer Insulinsekretion über einen KATP-Kanal-abhängigen Weg, wird die Freisetzung von Insulin außerdem durch zusätzliche KATP-Kanal-unabhängige Wege moduliert. Darüber hinaus kann die Menge an freigesetztem Insulin über eine Regulation der gesamten beta-Zellmasse infolge von Apoptose oder Proliferation und/oder Neogenese von beta-Zellen beeinflusst werden. Es wird angenommen, dass Apoptose von pankreatischen beta-Zellen eine Rolle für die Pathophysiologie von sowohl Diabetes Typ 1 als auch Typ 2 spielt. In vorherigen Arbeiten aus der Arbeitsgruppe konnte nachgewiesen werden, dass der insulinotrope Sulfonylharnstoff Glibenclamid und der Naturstoff Resveratrol unter bestimmten Bedingungen verstärkt apoptotische Prozesse, welche spezifisch an die Expression des SUR1 gekoppelt sind, induzieren können. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob es Substanzen gibt, welche stärker Apoptose in Zellen induzieren können als Glibenclamid und Resveratrol. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht 17beta-Estradiol, welches strukturelle und funktionelle Analogien zu dem ?Phytoestrogen? Resveratrol aufweist. So ist dieses endogen vorkommende Estrogen ebenso wie Resveratrol in der Lage, in verschiedenen experimentellen Zellsystemen Apoptose zu induzieren. Außerdem ist bekannt, dass 17beta-Estradiol bei KATP-Kanälen in beta-Zellen als KATP-Kanal-Blocker wirken kann. Es wird diskutiert, ob 17beta-Estradiol hierzu direkt mit KATP-Kanälen interagiert oder ob diese Substanz an ?nicht-klassische? plasmalemmale Estrogenrezeptoren bindet, welche derzeit noch nicht identifiziert sind und über intrazelluläre Signalkaskaden mit KATP-Kanälen in Verbindung stehen. In der Arbeitsgruppe konnte anhand von heterologen Kompetitionsexperimenten nachgewiesen werden, dass 17beta-Estradiol neben Glibenclamid und Resveratrol ein spezifischer Ligand des SUR ist. Somit kann SUR1 offensichtlich als ?nicht-klassischer? Estrogenrezeptor fungieren. Im Rahmen dieser Arbeit wurde überprüft, ob auch 17beta-Estradiol eine Apoptose spezifisch in Zellen induziert, welche SUR1 exprimieren. Außerdem sollte vergleichend die Bedeutung der beiden SUR-Isoformen SUR1 und SUR2 sowie verschiedener SUR-Mutanten bei der Induktion von Apoptose durch 17beta-Estradiol untersucht werden. Hierfür wurden Experimente mit rekombinanten HEK293-Zellen durchgeführt, welche jeweils die verschiedenen SUR-Isoformen exprimieren. Als Kontrollzellen dienten Zellen, welche mit leerem Expressionsvektor transfiziert worden waren (pcDNA-Kontrollzellen). Anhand der Quantifizierung verschiedener Parameter, wie Zellablösung, apoptotische Veränderungen in der Zellkernmorphologie sowie gesteigerte Aktivität des Caspase-3-Enzyms, konnte nachgewiesen werden, dass 17beta-Estradiol Apoptose spezifisch in Zellen induziert, welche SUR1 exprimieren. So wurde in Zellen, welche die pankreatische Isoform SUR1 exprimieren, nach Behandlung mit 17beta-Estradiol eine deutlich stärkere Apoptose gemessen als in pcDNA-Kontrollzellen bzw. Zellen, welche die cardiale Isoform SUR2A oder die vaskuläre Isoform SUR2B exprimieren. Außerdem induziert 17beta-Estradiol in Zellen, welche SUR1 exprimieren, eine deutlich stärkere Apoptose als Glibenclamid oder Resveratrol. Der KATP-Kanal in beta-Zellen des Pankreas setzt sich aus der regulatorischen Untereinheit SUR1 und der porenbildenden Untereinheit Kir6.2 zusammen. In dieser Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass die Co-Expression von SUR1 mit Kir6.2 in HEK293-Zellen die durch SUR1 vermittelte Apoptose nach Behandlung mit 17beta-Estradiol kaum beeinflusst. Diese Daten weisen darauf hin, dass die durch 17beta-Estradiol induzierte Apoptose offensichtlich nicht die Existenz funktionsfähiger pankreatischer KATP-Kanäle erfordert. Diese Ergebnisse bestätigen die bisherigen Hinweise, dass der SUR als pankreatischer Rezeptor, neben seiner regulatorischen Funktion in KATP-Kanälen, spezifisch an einer adaptiven Veränderung der beta-Zellmasse beteiligt sein könnte und so zur Regulation der Insulinsekretion über die Beeinflussung der beta-Zellmasse beitragen könnte. Ergänzend wurden Experimente mit Zellen der klonalen beta-Zelllinien HIT-T15 und RIN-m5F durchgeführt, welche SUR1 endogen exprimieren. Auch in diesen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass die Behandlung mit 17beta-Estradiol in diesen Zellen Apoptose induzieren kann. Eine deutliche Induktion von Apoptose durch 17beta-Estradiol konnte auch in pankreatischen Inselzellen aus Mäusen im Alter von 20-32 Wochen nachgewiesen werden. Auch die beta-Zellen der Langerhans-Inseln exprimieren SUR1 endogen. In Inselzellen aus Wildtyp-Mäusen traten nach der Behandlung mit 17beta-Estradiol starke apoptotische Veränderungen in der Zellkernmorphologie auf, während in Inselzellen aus SUR1-Knockout (SUR1KO)-Mäusen des gleichen Alters ebenso wie in Inselzellen aus Wildtyp- und SUR1KO-Mäusen nach Behandlung mit Lösungsmittel bzw. ohne Behandlung keine deutlichen Anzeichen von Apoptose gefunden wurde. Im Gegensatz zu den Inselzellen aus älteren Mäusen (männlich oder weiblich, 20-32 Wochen alt), können nach Behandlung von Inselzellen aus jungen Mäusen (männlich oder weiblich, 5-7 Wochen alt) mit 17beta-Estradiol deutliche anti-apoptotische Effekte nachgewiesen werden. In Inselzellen aus jungen Mäusen (männlich oder weiblich) wurde nach Behandlung mit Lösungsmittel bzw. ohne Behandlung ein hohes Maß an Apoptose gemessen, welches durch die Behandlung mit 17beta-Estradiol reduziert wurde. Diese Versuchsergebnisse geben wichtige Hinweise darauf, dass das Alter demnach einen wichtigen Faktor darstellt, welcher die Wirkungsweise von 17beta-Estradiol beeinflussen kann. Sowohl der apoptotische Effekt von 17beta-Estradiol in älteren Mäusen als auch der anti-apoptotische Effekt in jüngeren Mäusen ist spezifisch für den SUR1, da er in Experimenten mit Inselzellen aus SUR1KO-Mäusen ausbleibt. Im menschlichen Organismus kommt es während der Schwangerschaft zu einem beträchtlichen Anstieg der Plasmakonzentration an 17beta-Estradiol. Im dritten Schwangerschaftstrimester können Konzentrationen von ungefähr 50 bis 100 nM erreicht werden, was im Vergleich zu den Serumkonzentrationen während des Menstruationszyklus (Follikelphase: ca. 0,1-1,0 nM; Lutealphase: ca. 0,5-2,0 nM) eine Erhöhung um bis zu mehr als das 100-fache bedeuten kann. Durch 17beta-Estradiol vermittelte Veränderungen in der beta-Zellmasse könnten einen interessanten Aspekt im Bezug auf die Entwicklung von Gestationsdiabetes (GDM) darstellen. Bei GDM handelt es sich um eine Glucose-Intoleranz unterschiedlichen Ausmaßes, welche meist erst im letzten Trimester der Schwangerschaft auftritt bzw. diagnostiziert wird. Ein weiteres endogen vorkommendes Estrogen, das Estron, weist in Experimenten mit HEK293-Zellen, welche SUR1 exprimieren, sowie mit Zellen der klonalen beta-Zelllinien HIT-T15 und RIN-m5F ebenfalls die Fähigkeit auf, eine für die Expression von SUR1 spezifische Apoptose zu induzieren. Das Ausmaß ist allerdings deutlich geringer als nach Behandlung mit 17beta-Estradiol, obwohl sich 17beta-Estradiol von Estron ausschließlich darin unterscheidet, dass am Kohlenstoffatom an Position 17 anstelle einer Carbonylgruppe eine Hydroxylgruppe vorhanden ist. Dieser Substituent scheint somit von Bedeutung für die apoptotische Wirkung dieser Substanzen zu sein. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde außerdem die Bedeutung verschiedener Mutationen im SUR-Gen untersucht. So handelt es sich bei SUR1(M1289T) um eine Mutante, bei der in der Transmembranhelix 17 die Aminosäure Methionin an Position 1289 durch Threonin, die Aminosäure, welche sich bei SUR2B an korrespondierender Stelle befindet, ausgetauscht wurde. Durch diese Punktmutation wurde der für den SUR1 spezifische apoptotische Effekt nach Behandlung mit 17beta-Estradiol komplett aufgehoben, d.h. die Transmembranhelix 17 scheint bei dem apoptotischen Effekt von Bedeutung zu sein. Um zu untersuchen, ob die durch SUR1 vermittelte Apoptose nach Behandlung mit 17beta-Estradiol an eine korrekte Funktion der Nukleotidbindungsfalten gekoppelt ist, wurden Versuche mit den Mutanten SUR1(R1379C) bzw. SUR1(R1379L) durchgeführt. Beide Mutationen sind in der zweiten Nukleotidbindungsfalte von SUR1 lokalisiert und führen zu einer gesteigerten ATP-Hydrolyse an den NBFs. Diese natürlich vorkommenden Mutationen wurden bei Patienten mit vorübergehendem neonatalem Diabetes gefunden. Die Expression dieser Mutanten in HEK293-Zellen führt nach Behandlung mit 17beta-Estradiol zu einer deutlich stärkeren Induktion von Apoptose als in Zellen, welche SUR1 exprimieren. Da bestimmte Mutationen in SUR1 den Effekt von endogen vorkommendem 17beta-Estradiol beeinflussen könnten, könnten solche Mutationen möglicherweise von großer pathophysiologischer Bedeutung für die Entstehung von Erkrankungen wie z.B. Krebs oder Diabetes sein. Die Messungen der Aktivität verschiedener Caspase-Enzyme nach Behandlung mit 17beta-Estradiol gaben erste Hinweise darauf, dass der mitochondriale Signalweg bei der durch SUR1 vermittelten Apoptose eine große Rolle spielt. K1 Estradiol K1 Apoptosis K1 Schwangerschaftsdiabetes PP Hohenheim PB Kommunikations-, Informations- und Medienzentrum der Universität Hohenheim UL http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2009/368