RT Dissertation/Thesis T1 Experimentelle Entwicklung einer modellbasierten prädiktiven Regelung für den flexiblen Betrieb von Biogasanlagen A1 Dittmer,Celina WP 2023/08/23 AB Die Transformation des Energiesystems macht aufgrund zunehmend dezentraler, fluktuierender Stromeinspeisungen durch Wind- und PV-Anlagen, regelbare Stromproduzenten dringend erforderlich. Biogasanlagen können einen substanziellen Beitrag leisten, indem der Anlagenbetrieb flexibilisiert und somit bedarfsgerecht Strom bereitgestellt wird. Durch technische Anpassungen der Anlage, wie beispielsweise dem Ausbau der Gasspeicherkapazitäten und der BHKW-Leistung, lassen sich kurzfristige Schwankungen ausgleichen. Um das Stromerzeugungspotential über längere Zeiträume verlagern zu können, ist jedoch eine angepasste Fütterungsstrategie unabdingbar. Die Steuerung der Biogasproduktion birgt in der praktischen Umsetzung einige Herausforderungen. Einerseits ist die Konversion von Biomasse in Biogas ein komplexer Vorgang und zudem individuell für jede Biogasanlage zu betrachten. Bisher entwickelte Modelle nutzen daher Parameter zu sämtlichen charakteristischen Prozessphasen und Einflussgrößen, um die anaerobe Fermentation modellieren zu können. Demgegenüber steht die oftmals rudimentäre Ausstattung der Biogasanlagen mit Messtechnik, sodass entsprechende Parameter nicht zur Verfügung stehen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine modellbasierte prädiktive Regelung des Biogasanlagenbetriebes entwickelt, die eine dem Bedarf angepasste Stromproduktion ermöglicht. Dabei wurde der Anspruch gefasst, besonders praxistaugliche Modelle zu entwickeln um erstmals einen erfolgreichen Einsatz auf nahezu allen Biogasanlagen mit keinen oder nur wenigen Anpassungen an der vorhandenen Messtechnik zu erlauben. Alle Untersuchungen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, wurden auf Basis eines Reallabors, dem „Unterer Lindenhof“, durchgeführt. Dieses umfasst sowohl eine Praxisbiogasanlage als auch einen Energieverbrauch, der einem Dorf mit ca. 125 Einwohnern entspricht. In einem ersten Schritt wurden Prognosemodelle evaluiert, die den Strombedarf des Reallabors über 48 Stunden im Voraus vorhersagen sollen. Dabei wurden vier Modelle aus dem Bereich der Zeitreihenanalyse untersucht, ein TBATS und drei unterschiedliche ARIMA-Modelle. Über eine Evaluation von jeweils 366 Prognosen zeigten alle vier Modelle mit durchschnittlichen MAPE-Werten von 13-16 % ausreichend gute Resultate um einen Sollwert zur Orientierung des Biogasanlagenbetriebes zu liefern. Zusätzliche Untersuchungen ergaben zudem, dass die Prognose auch über einen Zeitraum von bis zu 14 Tagen erfolgen kann, ohne stärke Einbußen hinsichtlich der Prognosequalität. In einem weiteren Schritt wurde ein Modell zur Simulation der Biogasproduktion entwickelt. Dieses basiert ebenfalls auf der Zeitreihenanalyse, konkret auf einem Regressionsmodell. Damit unterscheidet es sich maßgeblich von bisherigen Entwicklungen in diesem Bereich, die in den meisten Fällen auf dem komplexen ADM1 beruhen. Sehr vorteilhaft erweist sich, dass das entwickelte Simulationsmodell lediglich historische Daten der letzten vier Wochen von der Biogasproduktion und der dosierten Menge an festen Substraten, unabhängig ihrer Zusammensetzung, als Inputparameter benötigt. Die Simulation der Biogasproduktion über 48 Stunden im Voraus erfolgt basierend auf Korrelationen, die die beiden Datensätze aufweisen. Eine Evaluation des Modells über 366 Simulationen ergab einen durchschnittlichen MAPE von 14-18 %. Dabei wurden die Daten von beiden Fermentern der Praxisbiogasanlage genutzt, die als eigenständige Systeme betrachtet werden können und damit die Adaptierbarkeit des Modells verdeutlichten. In einem dritten Schritt wurde die Fütterungsplanung zur bedarfsorientierten Biogasproduktion entwickelt. Für jeweils 48 Stunden im Voraus wurden 1500 randomisierte Fütterungspläne berechnet. Dabei wurden einige wenige Limitierungen vorgenommen, wie die maximale Substratmenge, die technisch in der Praxisbiogasanlage umsetzbar ist. Die aus den Fütterungsplänen voraussichtlich resultierende Biogasmenge konnte mittels des Simulationsmodells berechnet werden. Über einen Abgleich mit dem gewünschten Biogasbedarfsprofil konnte die Simulation mit den geringsten Abweichungen ermittelt und der zugehörige Fütterungsplan ausgewählt und umgesetzt werden. Die gesamte modellbasierte prädiktive Regelung wurde in einem praktischen Versuch im Reallabor „Unterer Lindenhof“ eingesetzt und eingehend geprüft. Über einen Zeitraum von 36 Tagen konnte ein durchschnittlicher MAPE von unter 20 % im Abgleich von der realen Biogasproduktion zu dem gewünschten Biogasbedarf erreicht werden. Dabei wurde in dem Testzeitraum der Biogasbedarf von dem prognostizierten Strombedarf des Reallabors abgeleitet. Die Untersuchungen der vorliegenden Arbeit zeigen, dass die entwickelte modellbasierte prädiktive Regelung eine bedarfsgerechte Stromproduktion auf einer großtechnischen Biogasanlage ermöglicht und aufgrund der erstmals sehr praxistauglichen Modelle eine Adaption auf nahezu jede Biogasanlage erlaubt. K1 Erneuerbare Energien K1 Biogas K1 Modellprädiktive Regelung K1 Simulation K1 Zeitreihenanalyse PP Hohenheim PB Kommunikations-, Informations- und Medienzentrum der Universität Hohenheim UL http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2023/2167