RT Dissertation/Thesis T1 Entwicklung eines neuartigen Selektivhacksystems zur Unkrautkontrolle in Zuckerrüben A1 Heinrich,Stefan WP 2022/08/30 AB Die Zuckerrübe ist im biologischen Ackerbau eine der anspruchsvollsten Kulturen. Sie ist auf-grund der langsamen Jugendentwicklung besonders konkurrenzschwach gegenüber Sa-menunkräutern wie Weißer Gänsefuß, Vogelknöterich oder Hühnerhirse. Die Bekämpfung der Beikräuter erfolgt im biologischen Anbau überwiegend mechanisch mithilfe von Hacksystemen zwischen den Reihen und mithilfe von Striegel und Fingerhacken innerhalb der Pflanzenreihe. Aufgrund der geringen Pflanzenstabilität in der Jugend ist ein aggressives Bearbeiten der Pflanzenreihe nicht möglich und folglich der Bekämpfungserfolg verhältnismäßig gering. Um eine Beerntung überhaupt zu ermöglichen und um der Nutzpflanze optimale Wachstumsbe-dingungen zu schaffen, wird mithilfe manueller Unkrautbekämpfungsmaßnahmen das restliche Beikraut nach den Hackeinsätzen in der Pflanzenreihe entfernt. Der Handarbeitsaufwand be-trägt je nach Gegebenheiten zwischen 50 und 250 Arbeitsstunden pro Hektar. Zur Reduktion dieses Aufwands wurde in den vergangenen Jahren versucht, Selektivhacken aus dem Gemü-sebau im biologischen Zuckerrübenanbau einzusetzen. Aufgrund der engen Pflanzabstände in der Reihe und des geringen Vorsprungs der Kulturpflanze gegenüber dem Beikraut war der Schaden größer als der Gewinn durch die Arbeitseinsparung. Hauptgründe lagen sowohl in der Pflanzendetektion als auch in der Werkzeuggestaltung. Aktuelle optische Detektionssys-teme nutzen überwiegend eine Trennung der Binärobjekte anhand von Farbinformationen und geometrischen Messungen. Die Werkzeuge beschränken sich überwiegend auf einen einfa-chen Einschwenkvorgang zwischen zwei Nutzpflanzen. Sobald die Nutzpflanze erreicht ist, wird wieder aus der Reihe ausgeschwenkt. Die Fahrgeschwindigkeit wird durch den Ein- und Ausschwenkvorgang begrenzt. Alle bisher verwendeten Werkzeuge besitzen keinen „Nullein-griff“, somit nimmt das Verschüttungsrisiko in der Jugendentwicklung proportional zur Fahrge-schwindigkeit zu. In der vorliegenden Dissertation werden zunächst neue Konzepte zur Online-Pflanzenerkennung erarbeitet. Die Detektion von Zuckerrüben ist eine der komplexesten Auf-gaben in der mechanischen Unkrautbekämpfung. Aufgrund des geringen Pflanzenabstandes und der Wuchsform fällt eine exakte Mittelpunktbestimmung der Kulturpflanze sehr schwer. Herkömmliche Verfahren aus der industriellen Bildverarbeitung sind hierfür nicht einsetzbar, da keine Pflanze der anderen gleicht. Um diese nun einzeln bestimmen zu können, müssen wich-tige Attribute, wie die markante Blattspreite, herausgearbeitet und für die Detektion genutzt werden. Die grundlegende Aufgabenstellung ist die Entwicklung eines praxistauglichen Selek-tivhacksystems für Biozuckerrüben. Hierfür wird zuerst zwischen dem Grundkonzept eines Traktoranbaugerätes und einer autonomen Trägerplattform abgewogen. Aufgrund der gerin-gen Leistungsbereitstellungsmöglichkeiten und der geringen Praxistauglichkeit wird die Ent-scheidung zugunsten des Anbaugerätes gefällt. Als Basis für die finale Entwicklung der Proto-typen wird eine Fronthacke genutzt. Diese dient anfangs nur zur Gewinnung von Bildmaterial und im Anschluss als Ausgangsplattform zur Integration der Hackwerkzeuge. Beginnend mit den Ergebnissen aus der vorangegangen Masterarbeit werden mithilfe klassischer Bildverar-beitungsalgorithmen Ansätze zur Detektion der Pflanzenmitte erarbeitet. Für die Einzelpflan-zenerkennung werden je nach Stadium unterschiedliche Algorithmen genutzt. Bis Ende des Zweiblattstadiums weisen herkömmliche Verfahren mithilfe der Schwerpunktbestimmung sehr gute Resultate auf. Ab Vierblattstadium erreichen die neu entwickelten Kantendetektionsver-fahren Detektionsgenauigkeiten von ±20 mm. Die Einzelpflanzenerkennung erreichte bei un-terschiedlichen Pflanzenstadien und Belichtungsszenarien Erkennungsraten von 50 % bis 98 %. Durch die Aussaat der Pflanzen im Dreiecksverband konnten auch unter schwierigen Einsatzbedingungen mit hohem Unkrautdeckungsgrad sehr gute Resultate erzielt werden. Dank der Verknüpfung der Daten mit dem Aussaatraster wurden trotz der niedrigen Einzel-pflanzenerkennungsraten nur Kulturpflanzenverluste unter 1 % ermittelt. Zur Umsetzung der Detektionsergebnisse wurde ausgehend von der an der Universität Bonn entwickelten Rotorhacke eine neue Kinematik konstruiert. Sie ist durch die hydromechanische Auflagedruckkontrolle deutlich weniger anfällig gegenüber schwierigen Bedingungen, da sie eine weitaus bessere Bodenanpassung bietet. Durch die Schrägstellung und Verbreiterung des Werkzeuges am Rotor konnte der sogenannte „Nullleingriff“ entwickelt werden. Dieser gleicht durch den angepassten Schnittwinkel zur Reihe die Fahrgeschwindigkeit gänzlich aus und verhindert somit ein Verschütten der Kulturpflanze. Zur Realisierung einer robusten und preiswerten Plattform ist das Werkzeug hydraulisch angetrieben. Die verwendeten Komponen-ten sollten auch in einer zukünftigen Serienmaschine eingesetzt werden können. Die zum An-trieb des Rotors notwendige Kaskadenregelung erreichte eine Winkelgenauigkeit von unter 0,7°. Positionsdaten, die mithilfe des Detektionssystems gewonnen werden, konnten zusätzlich für die Entwicklung eines Reihenführungssystems genutzt werden. Hierfür wurde zusätzlich zur Traktorlenkung eine aktive Anbaugerätelenkung konstruiert. Diese verbesserte das Füh-rungsverhalten der Rotorhacke. Um für jedes Stadium einen höchstmöglichen Regulierungsef-fekt zu erreichen, werden Scheibensech in Kombination mit Winkelmesser und Gänsefußscha-ren mit optionalen Häufelflügeln an den Zinkenträgern eingesetzt. Das In-Row-Werkzeugsystem wird an den Zinkenträger angebaut, um eine kompakte Einheit zu erhalten. Durch die Verknüpfung der Informationen aus der Aussaattechnik und der Bildverarbeitung ist es gelungen, ein äußerst robustes und fehlersicheres System zur Bekämpfung von Beikräutern im biologischen Zuckerrübenanbau zu entwickeln. K1 Unkrautbekämpfung K1 Zuckerrübe PP Hohenheim PB Kommunikations-, Informations- und Medienzentrum der Universität Hohenheim UL http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2022/2056