TY - THES T1 - Temperaturgesteuerte Zellzahlregelung für Bioreaktoren A1 - Loges,Karin Martina Y1 - 2021/11/10 N2 - Die Produktion biopharmazeutischer Glykoproteine erfolgt häufig durch die Kultivierung gentechnisch veränderter Säugetierzellen. Zu Beginn eines Produktionsprozesses wird eine geringe Menge tiefgefrorener Zellen aus einer Zellbank entnommen und in einer Kaskade aufeinanderfolgender Vermehrungschritte kultiviert (Anzuchtprozess). Zellkulturprozesse sind sehr empfindliche Verfahren, in denen schon geringe Abweichungen in der Prozessführung das Zellwachstum, die Produktqualität und die Produktausbeute beeinflussen. Unter anderem besitzt die Zellkonzentration einen Einfluss auf die Ausbeute und Qualität des Produktes. Die Qualitätsattribute der hergestellten Proteine werden im Zulassungsverfahren der einzelnen Länder und Gemeinschaften, wie zum Beispiel der Europäischen Union, mit entsprechenden Spezifikationen festgelegt. Da die Produktqualität auch von der initialen Zellkonzentration des Prozesses sowie dem Verlauf der gesamten Vermehrungschritte abhängig ist, wird der Überimpfzeitpunkt innerhalb der Kaskade durch die Zellkonzentration vorgegeben. In der industriellen Praxis kann der optimale Zeitpunkt des Überimpfens, aufgrund der nicht immer genau vorhersagbaren Vermehrungsgeschwindigkeit der Zellen, nachts oder am Wochenende erreicht werden. In Zellkulturbetrieben gibt es häufig keine Nachtschichten, wodurch das Überimpfen ausschließlich tagsüber erfolgen kann. Dies hat zur Folge, dass der nächste Prozessschritt entweder mit einer zu geringen oder zu hohen Zelldichte gestartet werden muss. Um die zu Teilen schwer zu kontrollierende Vermehrungsgeschwindigkeit und die resultierenden Planungsunsicherheiten im Prozess sowie die Problematik bezüglich der Produktqualität und –ausbeute zu lösen, sollte innerhalb dieses Forschungsprojekts ein industrietauglicher und selbstadaptiver Regler entwickelt werden, der es ermöglicht die Zellzahl während des Anzuchtprozesses im Reaktor zeitlich zu steuern. Bei Verwendung des in dieser Dissertation beschriebenen Zellzahlreglers gibt der Anwender zu Prozessbeginn die zu erreichende Zellkonzentration, sowie den genauen Zeitpunkt des Überimpfens, bestehend aus dem Datum und der Uhrzeit, vor. Im Folgenden regelt der Zellzahlregler die Vermehrungsgeschwindigkeit der Zellen während des Prozesses automatisch so, dass die am Prozessbeginn festgelegten Vorgaben am Prozessende erreicht werden. Die Regelung der Vermehrungsgeschwindigkeit, erfolgt durch Änderung der Temperatur. Der entwickelte Zellzahlregler basiert auf der Nutzung einer kommerziell erhältlichen und in der Industrie eingesetzten Online-Biomassesonde die eine kontinuierliche Messung der Zellkonzentration im Reaktor ermöglicht. Ausgehend von dem Messwert der Zellzahlsonde berechnet der Regler den prognostizieren zeitlichen Verlauf der Zellkonzentration. Weicht die vorausgesagte Endzellkonzentration zum vorgegebenen Überimpfzeitpunkt von der angestrebten Zellkonzentration ab, passt der Regler die Prozesstemperatur so an, dass die Vorgaben erreicht werden. Der beschriebene Ablauf wird zyklisch über den gesamten Prozesszeitraum wiederholt. In der Entwicklungsphase des Zellzahlreglers wurde zunächst eine umgebaute Reaktoranlage validiert und die Temperaturabhängigkeit der Biomassesonde untersucht. Im Weiteren wurde die Abhängigkeit der Vermehrungsgeschwindigkeit der Zellen von der Temperatur analysiert, in Form eines mathematischen Models beschrieben und in einen Regelungsalgorithmus implementiert. Die Berechnung der erforderlichen Temperatur erfolgt unter Zuhilfenahme eines nummerischen Optimierungsverfahrens, basierend auf dem zuvor abgeleiteten mathematischen Modell der temperaturabhängigen Vermehrungs-geschwindigkeit, den Online-Messwerten und den Vorgaben des Anwenders. Um eine größere Flexibilität zu erreichen und auf etwaige Störungen im Prozessablauf regieren zu können, wurde eine Möglichkeit geschaffen, die vom Anwender zu Prozessbeginn festgelegten Zielvorgaben während des laufenden Prozesses zu ändern. Zur Optimierung des Reglers wurde im Weiteren analysiert, inwiefern eine Adaptierung des Reglers an unterschiedliche Zellklone realisierbar ist, und in welchem Umfang Vorversuche zur Ermittlung der zellspezifischen, temperaturabhängigen Wachstumsgeschwindigkeit notwendig sind. Mit dem Ziel den Regler ohne Vorversuche nutzen zu können und bei möglichen Änderungen des Zellwachstums eines Zellklons eine gleichbleibende Qualität der Regelung zu garantieren, wurde ein selbstlernender Algorithmus implementiert. Innerhalb der Arbeit konnte experimentell die Funktionalität des Zellzahlreglers und die iterativ-adaptive Optimierung des mathematischen Algorithmus an unterschiedliche Zellklone, bestätigt werden. Alle während der Zellzahlregelung untersuchten biologischen Reaktionen der Zellen, wie die temperaturbedingten Anpassungen des Zellzyklus, der Apoptose und Nekrose, der Glukose- und Glutaminverbrauchsraten, sowie Ammonium- und Laktatbildungsraten, die Zirkularität und Größe der Zellen, zeigten sich als reversible Änderungen, welche sich in nachfolgenden Prozessstufen bei 37°C innerhalb von 2 Tagen normalisierten. Zudem konnte kein negativer Einfluss, der zellzahlgeregelten Vorkultur auf die Produktqualität und -quantität festgestellt werden. KW - Zellkultur KW - Prozessregelung KW - Regelung KW - Zellwachstum CY - Hohenheim PB - Kommunikations-, Informations- und Medienzentrum der Universität Hohenheim AD - Garbenstr. 15, 70593 Stuttgart UR - http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2021/1953 ER -