RT Dissertation/Thesis T1 Entstehung und Morphogenese des Vorderhirns - Die Rolle des mit Mikrotubuli assoziierten Proteins Hmmr in Xenopus laevis A1 Nickel,Angela WP 2020/07/29 AB Die Anlage des zentralen Nervensystems wird während der frühen Embryonalentwicklung gebildet. Aus dem Neuroektoderm entwickelt sich die Neuralplatte, welche sich durch seitliche Auffaltungen und umfängliche Zellumordnungen zum Neuralrohr schließt. Aus dem Neuralrohr entsteht in der weiteren Embryogenese anterior das Gehirn und posterior das Rückenmark. Störungen beim Neuralrohrschluss führen zu schwerwiegenden Fehlentwicklungen. Das Auftreten differenzieller Neuralrohrdefekte, welche spezifische Abschnitte des Neuralrohrs betreffen, deutet darauf hin, dass der Neuralrohrschluss entlang der anterior-posterioren Achse verschieden reguliert wird. So liegt z.B. bei der schwerwiegenden Fehlbildung Kraniorachischisis die gesamte Länge des Neuralrohrs ab dem Rautenhirn offen, wobei die Region des Vorderhirns jedoch normal geschlossen wird. Im Wildtyp zeigt sich diese unterschiedliche Regulierung auch in einer zeitlichen Verzögerung zwischen dem Schluss des kranialen und des kaudalen Neuralrohrs. Während die Mechanismen, die zum posterioren Neuralrohrschluss führen, recht gut erforscht sind, sind die anterioren morphologischen Prozesse im Bereich des zukünftigen Vorderhirns weitgehend unverstanden. Der Fokus dieser Arbeit lag darauf, zell- und gewebemorphologische Vorgänge zu identifizieren, die für die Entstehung und Entwicklung des Neuralrohrs im Bereich des Vorderhirns wichtig sind. Für Zellformänderungen sowie Zellwanderung ist die Regulation des Cytoskeletts von großer Bedeutung. Aus diesem Grund wurde in dieser Arbeit die Rolle des mit Mikrotubuli assoziierten Proteins Hmmr im embryonalen Modellorganismus Xenopus laevis untersucht. Im Menschen erhöhen Mutationen in HMMR die Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs zu erkranken. In diesem Zusammenhang wurde Hmmr bisher vor allem eine Rolle bei der Regulierung von Zellmotilität sowie bei der Aufrechterhaltung der Spindel-Integrität zugeschrieben. In Xenopus verlangsamte eine gestörte Modulation von hmmr durch Funktionsverlust- und Funktionsgewinnexperimente den Neuralrohrschluss und führte zu Defekten in der weiteren Vorderhirnentwicklung. Der hmmr Funktionsverlust verhinderte die Trennung der beiden Hemisphären des Telencephalons und glich phänotypisch der humanen Fehlbildung „mittlere interhemisphärische Fusionsvariante der Holoprosenzephalie“. Die Ursache für die unterbundene Ventrikeltrennung ließ sich auf eine gestörte Bildung der Dachplatte zurückführen, hervorgerufen durch eine Beeinträchtigung des Neuralrohrschlusses aufgrund fehlender Konvergenz neuraler Zellen. Die Konvergenz des Gewebes im Bereich des Vorderhirns wird durch radiäre Interkalation (RI) der neuralen Zellen vollbracht. Bei der hierfür notwendigen Regulierung von Zellpolarisierung und -elongation durch das Mikrotubuli-Cytoskelett kooperierte hmmr mit der Kern-Komponente des Signalwegs für planare Zellpolarität (engl. planar cell polarity; PCP) vangl2, die bisher nur als Faktor für den posterioren Neuralrohrschluss charakterisiert war. Weiterhin konnte durch die Verwendung von hmmr Deletionskonstrukten, denen funktionelle Domänen am Amino- und/oder Carboxy-Terminus fehlen, gezeigt werden, dass es sich bei der Elongation und der Interkalation um distinkte Prozesse handelt, welche differenziell durch die unterschiedlichen Domänen von Hmmr reguliert wurden. Für RI war die direkte Bindung von Hmmr an Mikrotubuli erforderlich. Dies deutet darauf hin, dass Hmmr Interkalationsbewegungen beeinflusst, indem es die dynamische Instabilität von Mikrotubuli reguliert. Radiäre Interkalationsprozesse sind essentiell für mesenchymal-epitheliale Transition (MET), ein physiologischer morphogenetischer Prozess, der aber auch im pathologischen Kontext die Etablierung von Tumormetastasen ermöglicht. MET wird durch das Zusammenspiel von kanonischer Wnt / beta-Catenin und nicht-kanonischer Wnt / PCP- Signalwegsaktivität gesteuert. Durch weitere gewebespezifische Funktionsverlustexperimente wurde für hmmr eine grundsätzliche Rolle bei durch Wnt gesteuerten RI / MET-Prozessen während der Gastrulation sowie der Entwicklung der Niere und der Schwanzknospe von Xenopus identifiziert. Die Ergebnisse legen nahe, dass Hmmr die Dynamik von Mikrotubuli beeinflusst. Da sowohl der kanonische wie auch der nicht-kanonische Wnt-Signalweg mit Mikrotubuli assoziiert ist, könnte Hmmr als molekularer Schalter die Aktivität und das Zusammenspiel der beiden Signalwege regulieren. Mit dieser Arbeit konnte somit eine neue physiologische Funktion des bisher hauptsächlich im Tumor-Kontext untersuchten Mikrotubuli-bindenden Proteins Hmmr bei der Entwicklung und Morphogenese des Vorderhirns identifiziert werden. Es wurde gezeigt, dass durch Hmmr vermittelte RI eine treibende Kraft des anterioren Neuralrohrschlusses ist. Darüber hinaus gelang es, Hmmr als essentiellen Regulator Mikrotubuli-abhängiger Wnt-Signalwegsaktivität in MET-Prozessen zu identifizieren. K1 Entwicklungsbiologie K1 Mikrotubulus K1 Vorderhirn K1 Krallenfrosch K1 Zellskelett PP Hohenheim PB Kommunikations-, Informations- und Medienzentrum der Universität Hohenheim UL http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2020/1782