TY - THES T1 - Pflanzenschutzmittelrückstände im gehöselten Pollen der Honigbiene (Apis mellifera L.) : Auswirkungen einer feldrealistischen Pflanzenschutzmittelmischung auf Stockbienen und den Larvenfuttersaft A1 - Böhme,Franziska Y1 - 2019/01/28 N2 - Pflanzenschutzmittel (PSM) kommen weltweit zum Einsatz und verunreinigen Luft, Oberflächen, Böden und Gewässer. Sie können durch direkte Spritzmaßnahmen oder indirekt durch Saatgutbehandlungen abdriften oder ausgewaschen werden und treten auf diese Weise mit Nicht-Ziel-Pflanzen und Nicht-Ziel-Organismen (NZO) in Kon-takt. Die Honigbiene (Apis mellifera L.) hat als NZO durch ihre Bestäubungsleistung und ihre Bienenprodukte eine große Bedeutung für den Menschen. Auf ihren bis zu zehn Kilometer weiten Flügen um den Bienenstock sammeln sie Nektar, Pollen, Was-ser, Honigtau und Baumharze. Die Proteine aus dem Pollen sind wichtig für die Ernäh-rung und Entwicklung von Larven und Adulten. Pollen wird von den Bienen als Bie-nenbrot eingelagert, konserviert und besteht aus Hunderten von Pollenhöschen, die über einen längeren Zeitraum von unterschiedlichen Pflanzen gesammelt wurden. Rückstandsanalysen von Bienenbrot finden häufig Anwendung, um den Kontakt von Bienen zu PSM aus dem Feld einschätzen zu können. Jedoch deckt die Analyse einer Bienenbrotprobe häufig ein größeres Zeitfenster ab und es kann durch unkontaminierte Pollenhöschen zu Verdünnungseffekten kommen. Somit können die erzielten Ergeb-nisse nur eine Abschätzung über die wahre Belastung des Pollens mit PSM geben. Aus diesem Grund haben wir in den Jahren 2012 - 2016 an drei landwirtschaftlich un-terschiedlich genutzten Standorten in Baden-Württemberg von Imkern in der landwirt-schaftlich aktiven Hochzeit (Frühjahr/Sommer) täglich mit Hilfe von Pollenfallen Pol-lenhöschen sammeln lassen. Es sollten tagesaktuelle Konzentrationen und Kombinatio-nen von PSM im Pollen im Verlauf der Saison dargestellt werden. Proben von 281 Ta-gen wurden auf 282 verschiedene Wirkstoffe untersucht (Veröffentlichung 1). Es stellten sich große qualitative und quantitative Unterschiede der Kontamination mit PSM zwischen den Standorten heraus. Der Streuobststandort nahe Göppingen war am geringsten mit PSM belastet. In 5 Jahren wurden nur 24 verschiedene Wirkstoffe in 56 % der Proben mit bis zu 300 µg/kg gefunden. Der intensivere Standort in Ertingen ist durch Anbau von Getreide und Mais für die Biogasproduktion gekennzeichnet. 13 % der Proben waren nicht belastet; die übrigen waren mit insgesamt 37 verschiedenen Wirkstoffen mit Maximalkonzentrationen bis zu 1.500 µg/kg kontaminiert. Der Stand-ort mit dem intensivsten Pflanzenschutzaufkommen war in Heilbronn und von Dauer-kulturen wie Wein- und Obstbau geprägt. Die höchste gemessene Konzentration lag bei 7.178 µg/kg. Alle Proben dieses Standorts waren mit bis zu 58 verschiedenen Wirkstoffen belastet. Insgesamt wurden mehr als 70 verschiedene Wirkstoffe in dieser vergleichenden Un-tersuchung gefunden. Aufgrund ihrer Zulassung war die Wahrscheinlichkeit hoch, 84 % der hier detektierten Wirkstoffe im Pollen zu finden. Zwölf gefundene Substanzen sind jedoch entweder nicht als PSM zugelassen und sollten nicht im Pollen gefunden werden, oder sollten aufgrund ihrer Bienengefährlichkeit keinen Kontakt zu Bienen haben. Wir schließen daraus, dass es weiterer Optimierung im Aussaatprozess bedarf, um insektizidhaltige Feinstäube zu vermeiden. Außerdem folgern wir, dass blühendem Unterwuchs, Ackerrandbegrünung oder Blüten in der näheren Umgebung weitere Be-achtung geschenkt werden sollte. Denn es werden nach wie vor über Abdrift von Spritzbrühe Nicht-Ziel-Pflanzen getroffen. Jedoch kann aufgrund der detektierten Konzentrationen in den Pollenproben nicht von Fehlanwendungen im Versuchszeit-raum ausgegangen werden. Selbst von den bienengefährlich eingestuften Insektiziden sind keine akuten Vergiftungserscheinungen bei Honigbienen zu erwarten. Die Kon-zentrationen der Wirkstoffe befinden sich im für Honigbienen subletalen Bereich. Je-doch gibt es über den gesamten Beobachtungszeitraum eine Kombination verschiede-ner Wirkstoffe in den Proben. Es ist nicht bekannt, wie sich diese Cocktails aus ver-schiedenen Wirkstoffen in subletalen Konzentrationen bei chronischer Aufnahme auf Bienen auswirken. Daher haben wir einen Feldversuch mit frei fliegenden Honigbienenvölkern durchge-führt (Veröffentlichung 2). Mini-Plus Völker mit jeweils ca. 2.500 Bienen und Ge-schwisterköniginnen wurden nahe der Landesanstalt für Bienenkunde in Hohenheim etabliert. Die Königinnen wurden gekäfigt, um Bienen gleichen Alters zu erhalten, die in zwei kritischen Lebensphasen mit PSM chronisch in Kontakt kommen sollten. Nach dem Schlupf der Larven aus dem Ei und nach dem Schlupf der Adulten aus den Zel-len, wurde eine Mischung von zwölf verschiedenen Wirkstoffen in feldrealistischen Konzentrationen chronisch in einem Pollen-Honig Gemisch an die Völker verfüttert. Das Larvengewicht der Gruppe, welche die PSM erhielten, war signifikant erhöht. Die Larvenmortalität unterschied sich jedoch nicht von der unbehandelten Kontrollgruppe. Auch die Futtersaftdrüsen von adulten Ammenbienen waren im Vergleich zur Kon-trollgruppe signifikant kleiner. Jedoch gab es keine Auswirkung auf die Lebenserwar-tung zwischen beiden Gruppen. Trotz chronischer Fütterung mit einem Gemisch an PSM, seit dem ersten Lebenstag der Arbeiterinnenlarven scheint es keine offensichtli-chen Nebenwirkungen zu geben, welche die Volksstärke oder -vitalität beeinträchti-gen. Das wirft die Frage auf, ob Ammenbienen, die hauptsächlich von dem kontaminierten Pollen-Honig Gemisch fressen, Futtersaft herstellen und die Larven füttern, als eine Art Filtersystem fungieren, sodass die Larven keinen Kontakt zu den Wirkstoffen ha-ben. Um Näheres über das Schicksal der Wirkstoffe herauszufinden, wurde eine Köni-ginnenzucht angesetzt (Veröffentlichung 3). In frei fliegende weisellose Mini-Plus Völker wurden Rähmchen mit 24 h alten Larven eingehängt und gleichzeitig ein Pol-len-Honig Gemisch, welches „worst-case“ Konzentrationen eines Wirkstoffcocktails enthält, verfüttert. Das Gelée Royale (GR), das den Königinnenlarven gefüttert wurde, wurde geerntet und auf Rückstände untersucht. Lediglich die Hälfte der angebotenen Wirkstoffe konnte in niedrigen Konzentrationen (77 % lagen unter 1 µg/kg) wiederge-funden werden. Arbeiterinnenlarven erhalten jedoch im Vergleich zu Königinnenlarven ab einem Alter von ca. drei Tagen einen veränderten Larvenfuttersaft, der Pollen enthalten kann. So-mit stellt sich die Frage, ob sich die PSM aus der Pollenquelle auf diesen Futtersaft anders auswirken als auf das GR der Königinnenlarven. Für den Freilandversuch wur-den Königinnen von Mini-Plus Völkern gekäfigt, um Larven gleichen Alters zu erhal-ten. Den Völkern wurde ein Pollen-Honig Gemisch, angereichert mit sehr hohen Kon-zentrationen eines Wirkstoffcocktails, verfüttert (Veröffentlichung 4, eingereicht). Der Larvenfuttersaft von jeweils 3 - 6 Tage alten Larven wurde entnommen und auf Rückstände untersucht. Die gemessenen Konzentrationen stiegen mit zunehmendem Larvenalter an und lagen zwischen 2,9 und 871 µg/kg für die verschiedenen Wirkstof-fe und Altersstufen. Da der Anstieg der Wirkstoffkonzentrationen positiv mit der Zu-nahme der Pollenkörner im Futtersaft mit ansteigendem Larvenalter korreliert, konnte belegt werden, dass die Höhe der Belastung mit PSM mit der Menge des Pollens im Larvenfuttersaft zusammenhängt. Bemessen an der maximalen Futteraufnahmemenge einer Arbeiterinnenlarve liegen je-doch selbst die höchsten gemessenen Konzentrationen im Larvenfuttersaft noch im subletalen Bereich. Doch auch bei den Königinnen, die nach dem Schlupf als Adulte noch GR bekommen, werden die lebenslang konsumierten Wirkstoffmengen im suble-talen Bereich liegen. Besonders wenn man in Betracht zieht, dass wir nicht-feldrealistische Konzentrationen für die Versuche wählten. Wahrscheinlich sind aber die subletalen Effekte die wir im ersten Versuch messen konnten, Folge eines chroni-schen Kontakts zu den subletalen Konzentrationen, welche die Bienen im Laufe ihres Lebens zu sich genommen haben. Auch wenn wir keine direkten akuten Vergiftungen feststellen konnten und die gemessenen Konzentrationen im subletalen Bereich liegen, können wir keine Aussagen treffen, ob es nicht langfristig zu einer Beeinträchtigung der Fitness oder des Bruterfolges von Honigbienenvölkern kommen kann. Da das Ho-nigbienenvolk allerdings als Superorganismus leichter Stressfaktoren tolerieren und den Verlust einzelner Bienen abpuffern kann ist es schwierig, subletale Effekte auf Volks-ebene im Freiland zu untersuchen, bzw. nachzuweisen. Andererseits ist es wahrschein-lich, dass solitär lebende Individuen, wie z.B. viele Wildbienenarten, die alleine für ih-re Nachkommen verantwortlich sind, kürzere Flugradien haben und als Larve direkt mit kontaminierten Pollenreservoirs in Kontakt treten, stärker von Stressoren, wie PSM, benachteiligt werden. 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